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  Aus Briefen ehemaliger Belvederer

Einmal Belvedere – immer Belvedere? (03.02.2015)
Schon in meiner Kindheit muss ich dem Charme von Schloss Belvedere erlegen gewesen sein. Meine schönsten Ausflüge führten immer zum schönen Ausblick über meiner Geburtsstadt Weimar. [...] Nach Abschluss der Grundschule 1953 erfuhr ich, dass in Belvedere eine weiterführende Schule eingerichtet wird, deren pädagogisches Ziel vorwiegend die musische Ausbildung mit Schwerpunkt Musikerziehung und dem Erreichen des Abiturs sein wird. Ich hatte privat bereits viele Jahre Klavierunterricht, bei regionalen und überregionalen Wettbewerben konnte ich Preise erringen, die mich zur Anmeldung ermutigten. Ich bestand die Aufnahmeprüfung im alten Palais und wurde in Belvedere aufgenommen. Also acht Jahre nach Kriegsende, erst vier Jahre nach Gründung der DDR sollte das interessante Bildungsprojekt in Belvedere verwirklicht werden. Aber noch befand sich das Land völlig im Aufbruch, die Kriegsschäden waren längst nicht beseitigt. [...] Vorerst war noch Improvisation bei der Planung und Verwirklichung Voraussetzung. Sicher ein Kraftakt für die Verantwortlichen und die Schulleitung mit Hans Della Guardia (bis 1954) an der Spitze. Noch standen nicht alle Räumlichkeiten für einen geordneten Unterricht und die Internatsunterbringung der Schülerinnen und Schüler in Belvedere zur Verfügung. Ich erinnere mich noch, dass ich oft in privaten Wohnungen meinen Klavierunterricht erhielt. Doch nach dem Einzug meines Klavierlehrers Günter Pistorius mit seiner noch kleinen Familie ins Mozart-Haus auf Belvedere hatte ich einen festen Platz gefunden. [...] Der Unterricht fand in den Seitenflügeln des Schlosses statt. Das Mittelgebäude war für uns Schüler in den Pausen oft ein verbotener Abenteuerplatz. [...] Unterrichtet wurde Deutsch, Mathematik, Musikgeschichte, Musiktheorie und als einzige Fremdsprache Russisch. Alle Lehrer wirkten motiviert und engagiert, obwohl wir Schüler es ihnen sicher nicht immer leicht machten. [...] Der gutmütige Herr Triller versuchte mit seinen Möglichkeiten uns die Geheimnisse des Sports und der Gymnastik beizubringen. Aufgrund seiner Kriegsverletzung konnte er die Übungen nicht perfekt demonstrieren. [...] Als einen coolen Typen würden Schüler wohl heute unseren Chorleiter Jochen Miebs bezeichnen. Ein großgewachsener, schlanker Mann, der damals immerhin ein winziges Auto besaß. [...] Seinen Unterrichtsstil empfanden wir richtig unterhaltsam, er verstand es, uns für den Chorgesang richtig zu begeistern. Mit viel Geduld studierte er mit Chor und Orchester Beethovens Chorfantasie ein, mit der wir auf Tour gingen [...] nach Lampertheim im Hessischen, also Westen. Der Chor umrahmte musikalisch eine KPD-Veranstaltung im Saal einer Gaststätte an der Hauptstraße. [...]
Erschien 1953 bis Anfang 1954 der schulische Geist eher von Idealismus geprägt, machte sich doch langsam ein neuer Geist bemerkbar. Bevorzugt wurden Schüler aus dem Stand der Arbeiter und Bauern. [...] Dennoch hatten alle Schüler in den Anfangsjahren noch zusätzliche Vergünstigungen ihrer Ausbildung. So galt es als Pflicht, dass am Freitagvormittag an den Generalproben der Staatskapelle im wieder aufgebauten Nationaltheater bei Hermann Abendroth teilgenommen wurde. [...] Die Unterbringung in den Internaten erschien schon in den ersten Jahren eher abenteuerlich. In den winzigen Zimmern standen eiserne Öfen, die besonders organisationsbegabte Schüler mit den unmöglichsten Brennstoffen zum Glühen brachten. Im Nachhinein wundert man sich, dass dabei nicht das gesamte Gebäude abgefackelt wurde. Unter den geradezu altertümlichen sanitären Anlagen hatten besonders die Jungs zu leiden. Selbst noch bei Frost war die morgendliche Toilette nur an der Pumpe hinter dem Internat möglich. [...] Als Mensa diente in meiner Zeit übrigens nur ein größerer Raum über dem Gasthof am Dreiseithof. Nicht alle Schüler fanden Platz zur geregelten Essenszeit.
Obwohl ich nur von 1953 bis Anfang 1956 Schülerin der Musikgrundschule Belvedere war, fühle ich mich Belvedere emotional auch heute noch immer stark verbunden. [...] Meine Abmeldung wurde als Abwanderung in den Westen in einer Chronik dokumentiert. [...] Mitte der Siebziger konnte ich wieder Weimar und meine Angehörigen und Freunde besuchen. Immer war der begrenzte Aufenthalt mit einem Besuch von Belvedere verbunden. [...] Einen Hauch von meinem Belvedere erlebte ich, wenn ich auf dem Weg in die Orangerie den jungen Musikern zuhören konnte, wenn sie bei geöffneten Fenstern übten. Nun war auch die Erinnerung wieder da, als wir Schüler begeistert dem Geigenspiel von Jost Witter lauschten, der damals bereits das 1. Bruchkonzert spielte. [...] Die fünf Protagonisten des Films „Träume, Tränen, Töne“ über das neue Musikgymnasium Belvedere motivierten, mich an der Rezeption als Ehemalige zu outen. Nunmehr durfte ich die großzügige Wirkungs- und Ausbildungsstätte junger Musiker live besichtigen. [...] Beim Besuch einiger Konzerte im Konzertsaal im Tiefparterre des Schulgebäudes begeisterte mich dieser ebenso wie das hohe Niveau der Interpreten. [...] Fazit meines Rückblicks: In den 76 Jahren meines Lebens spielten Belvedere und Weimar doch stets eine dominierende Rolle. Und dies wird hoffentlich auch [künftig] noch so sein.
Barbara Treichel, ehemalige Bärbel Leepin in Belvedere

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